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Voila, die Abrechnung (und ein paar neue Aufgaben)

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Ich hab neue Sonnenbrillen.  Oder anders gesagt: In San Francisco ist das mit der Kohle auch schon Wurscht.

4.000 Dollar. Soviel kostet offenbar Wahrheit. Nachdem San Francisco jene Stadt zu sein scheint, die jede Menge persönlicher Fragen aufwirft, hab ich den Preis bezahlt. Ganz ehrlich, es blieb mir auch nichts anderes übrig.

Jedenfalls: 4.000 Dollar sind insgesamt für Miete draufgegangen. Meine alte Unterkunft – fleckiger Teppichboden, keine vernünftige Heizung und oben drüber eine ähem, sehr aktive vierköpfige Familie – hab ich entnervt zwei Wochen früher storniert, um mir was Neues, Hübsches im Stadtzentrum zu suchen. Jetzt hab ich Cable Cars, Luxusboutiquen und Chinatown ums Eck (in San Francisco lebt die größte asiatische Community der USA) und jede Menge Straßenlärm im Schlafzimmer, aber ich fühl mich besser. Zumindest ist die Bude warm und verfügt über eine funktionierende Küche. Sauer bin ich trotzdem noch. Auf die Silicon Valley Typen, die nicht in der Retortenstadt Palo Alto versauern wollen und deshalb die Mietpreise hochtreiben.

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Gestatten, meine neue Nachbarschaft. Inklusive Cable Cars.

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Bars und Al Capone sind auch da.

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„Tragen sie die wegen der Sonne und nur aus Spass?“, hab ich den Besitzer gefragt. „Aus Spass,“ sagte er. Ohne zu lächeln.

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Chinatown.

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Egal, es ist nur Geld. What goes around comes around, das Universum wird mir die Sache irgendwie schon wieder rückvergüten. Worum’s mir eigentlich geht, ist Folgendes: Ja, San Francisco und ich werden nicht die besten Freunde werden, der Zug ist mittlerweile abgefahren. Und ja, die Stadt ist ein bisschen fad, denn mit Sightseeing ist man nach einer Woche durch, ansonsten tut sich hier nicht viel, die Leute gehen arbeiten und sie gehen essen (letzteres nicht mal sonderlich gut). Macht aber nix, anstatt noch mehr Geld zu verprassen und wieder woanders hinzuziehen, bleib ich jetzt hier. Und hab mir ein paar sinnbefreite Aufgaben gesucht, die vielleicht irgendwann mal Sinn machen.

  • Finde das perfekte Weihnachtskleid.
    Ich bin da altmodisch. Bei Anlässen, die nur einmal im Jahr statt finden, darf man sich ruhig ein bisschen mehr anstrengen als sonst. Bring on that glitter! Jedenfalls schwebt mir etwas komplett Güldenes vor. In Kapstadt habe ich ein Kleid gesehen, das perfekt gewesen wäre, bis auf die Tatsache, dass es drei Nummer zu groß im Geschäft hing. Jetzt wird halt hier geschaut. Netter Nebeneffekt: Man lernt die ganzen Vintage-Shops und Designer-Discount-Läden kennen. Mehr ist finanziell nicht drin. Die Miete, eh schon wissen.

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    Sollte das mit dem Traum in Gold nicht klappen, wird’s notfalls halt dieser Pulli.

     

     

  • Verinnerliche jeden Tag ein neues englisches Vokabel.
    Bevor ich nur rumsitze und die Stadt verteufle, kann ich auch was für die Bildung tun. Meine neuen Lieblingsworte sind „stellar“, „sketchy“ und „unconstitutional“ (das soll noch einmal einer sagen, von Donald Trump könne man nix lernen). Mein bester Lehrer ist übrigens der Flachbild-Fernseher gegenüber der Couch und die darauf laufenden Abendnachrichten (okay, manchmal sind’s auch drei Folgen „Modern Family“ am Stück oder die Promi-News bei E!-Entertainment, aber Abendnachrichten klingt halt ein wenig intellektueller).
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10. Dezember, 10 Grad Außentemperatur. Dieser Herr aus San Francisco hatte Lust, Schwimmen zu gehen. „How is it?“, hab ich ihn gefragt. „Stellar“, meinte er. Wieder was gelernt, an Vokabeln, mein ich. Und die patriotische Badehaube ist ein Traum!

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  • Iss!
    Liebe soll bekanntlich durch den Magen gehen. Ergo fresse ich mich ab sofort durch die Stadt und ignoriere das drohende Hawaii-Drama, das da heißt: „Du wirst das dickste Bikini-Babe am Strand sein“. Vorgestern gab’s in  Chinatown wunderbare Dim Sum mit höllisch guter Chili Sauce, heute wird marrokanisch-französisch diniert und mit Andy, einem hochsympathischen Ostküstler, der San Francisco ähnlich kritisch sieht wie ich, habe ich mich bereits erfolgreich durch die Weinkarte einer Bar getrunken. Des weiteren auf der Liste: Pizza in North Beach. Tacos im Mission District. Austern für einen Dollar.

Und zwischendrin sinniere ich über die Wahrheiten, die San Francisco bisher für mich bereit gehalten hat.

  • Ich bin ein Nestbauer.
    Auch wenn ich auf Weltreise bin: Eine gut ausgestattete Küche, ein bequemes Bett und ein Holzfußboden tragen wesentlich zu meinem Wohlbefinden bei. Ich hab sogar schon eine Duftkerze gekauft und aufgestellt.  Das mag mit dem Drang nach Abenteuern und Freiheit ein wenig schizophren anmuten, aber wenn schon jeden Tag neue Eindrücke auf mich einprasseln, will ich wenigstens abends ein kuscheliges Nest haben, in dem ich und mein Hirn zur Ruhe kommen. Und ganz ehrlich, nichts baut einen besser wieder auf als ein gutes Bett und eine heiße Dusche.
  • Happy-Familys und Menschen mit normalem Tagesablauf sind zu meiden. Denn: Teilt man sich das Haus mit einer Familie (war bei meiner ersten Unterkunft so), fühlt man sich irgendwann einsam und deplatziert. Auch wenn das mit der Einsamkeit so gar nicht stimmt. Aber die, also die anderen, sind immer in der Mehrzahl, da gibt man schnell w.o. Und mit jenen, die einem geregelten Tagesablauf nachgehen, ist’s ebenfalls schwierig. Ich glaube, mein Nichtstun verteidigen zu müssen. Das Gegenüber wiederum fühlt sich schräg, weil es meint, seinen Job verteidigen zu müssen. Also treff ich die Leute nur abends, in Bars. Da sind beide Parteien – also ich und sie – entspannt.  Lunch-Treffen sind tabu.
  • Ich brauch einen neuen Namen.
    Schon klar, meine Eltern haben sich wahrscheinlich was dabei gedacht, als sie mich Waltraud tauften. Wobei ich noch immer vermute, sie waren volltrunken, als sie mit der Idee aufkamen (Mama und Papa, bitte nicht persönlich nehmen, aber eine sinnstiftende Erklärung, warum der große Bruder und die kleine Schwester „normale“ Namen haben, die auch international kompatibel sind, steht noch immer aus). Jedenfalls: Waltraud und Weltreise geht gar nicht. Wenn ich nicht gerade mit „Hey, you“ angesprochen werde, bleiben die Leute sicherheitshalber stumm. Wobei ich ja schon mit einem angloamerikanischen intonierten „Woltrout“ zufrieden wär. Aber meine Gegenüber sind da offenbar Perfektionisten und namenlos durch die Welt zu gehen ist irgendwie uncool. Also hat Mat, ein Bekannter aus San Francisco, der schwer bemüht ist, mir die Stadt näher zu bringen, vorgeschlagen, demnächst eine „Naming Party“ zu machen. Dinner, ein paar Freunde, Gin Tonic und ein Flip Board. Jeder darf Vorschläge draufschreiben. Mal schauen, was dabei raus kommt Vielleicht bin ich dann in Hawaii schon Lucy oder Jennifer oder Schlimmeres. Ich persönlich bin ja für Nova. Neuer Lebensabschnitt. Neuer Reiseabschnitt. Neue Erfahrung. Aber ich lass mich überraschen. Und wer immer Vorschläge hat, her damit. Spätestens auf Hawaii taufe ich mich dann höchstpersönlich um.

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    What would you name me? Die Brille heißt übrigens Cole. 🙂

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