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Tansania für Anfänger

Ich bin umgezogen. Nicht sehr weit, nur ungefähr einen Kilometer Hügelaufwärts, aber es macht einen Unterschied. Habe ich vorher auf Steppe, Akazienbäume, den Kilimanjaro und Ziegen geschaut, schau ich jetzt auf Steppe, Akazienbäume, den Kilimanjaro und Ziegen – nur halt mit besserer Luft, hier oben ist’s grüner und nicht ganz so staubig. Ein Giraffenschädel, schon halb versteinert, liegt auch herum. Zwei Tage lang hab ich von meiner Terrasse daran vorbei gestarrt, bis ich gecheckt habe, was es ist: die knubbeligen Hörner, der fast trapezförmige Schädel, die weit aussen liegenden Augenhöhlen … nun ja, mittlerweile kann ich das Teil vom Zebra-Schädel, der drei Meter weiter auf einem Baumstumpf steckt und mir die Zähne zeigt, unterschieden.

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Das war mal eine Giraffe …

 

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… und das ein Zebra. Und keine Sorge, das Tier ist auf natürlichem Weg in die ewigen Jagdgründe eingegangen.

In Momella gehören Wildtier-Skelette zum Alltagsbild. Wer den Film „Hatari!“ gesehen hat (einen Streifen aus dem Jahr 1962 mit Hardy Krüger und John Wayne, in dem’s eigentlich nur darum geht, dass große, starke Männer Nashörner für Zoos in Europa fangen), kennt auch die Gegend in der ich bin. Denn der Streifen wurde in Momella gedreht. Im lokalen Waisenhaus, das von Africa Amini Alama betrieben wird, liebt man diese Produktion. „Das ist der Opa von …“, rufen die Kinder immer ganz euphorisch dann, wenn ein Einheimischer durchs Bild stapft. Dass der Opa von Charles oder der Opa von Monishi nur klein zu sehen sind, weil alle 38 Kids am freitäglichen „Kinoabend“ auf einen einzigen Laptop-Bildschirm schauen müssen, macht nichts. Es begeistert sie jedes Mal aufs Neue.

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Mein neuer Ausblick in den Hügeln von Momella

 

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Mein neues Zuhause, das Guesthouse von Africa Amini Life. Sogar mit Lagerfeuer-Stelle. Die ist am Foto leider nicht drauf. Ich übe das noch, das Fotografieren, mein ich.

Drei Wochen bin ich insgesamt in Tansania. Und jetzt, wo bald die Weiterreise nach Kapstadt ansteht, muss ich über mich selber lachen. Denn ursprünglich hatte ich Afrika mal von meiner Reiseliste gestrichen. Eh schon wissen, weiße Frau, noch dazu blond gefärbt und allein unterwegs, das kann nicht gut gehen, auch ohne Vorurteile. Das ewige Feilschen! Die Anmache! Die Malaria! Und dann beim Essen, da muss man verdammt aufpassen, sonst sieht man vom Kontinent nicht mehr als das Klo …

Tja, und was soll ich sagen? Mag sein, dass ich bisher Glück gehabt habe, wahrscheinlicher ist aber, dass ein Großteil der Bedenken einfach nur ängstliche Hirnakrobatik war. Denn das Feilschen macht mittlerweile Spass. Angemacht wurde ich bisher nie (was, zugegeben, auch daran liegen könnte, dass ich von knackigen 20-jährigen Mädels umgeben bin, neben denen ich mehr ganz, ähem, taufrisch wirke). Mein Magen hat nur einmal gemurrt, aber nicht wegen des herrlichen Ugali, einer Art Maisbrei mit Sauce und Linsen, sondern wegen der 200 Gramm Gummibären, die ich in meiner Gier auf nüchternen Magen verputzt habe. Und ja, drei Kinder in der Umgebung haben Malaria, obwohl das hier keine ausgewiesene Malaria-Gegend ist. Aber ich hab ein Moskitonetz. Eine Packung Malarone-Tabletten. Und einen Hausverstand, der mir sagt: In der Dämmerung gibt’s lange Hosen, Socken, eine Jacke und gut ist’s.

Trotzdem, Tansania ist anders. Das lässt sich nicht leugnen. Täglich prasseln neue Eindrücke auf mich ein, die mir verdeutlichen: Es gibt eine europäische Art, Dinge zu machen – und es gibt eine afrikanische. Letztere ist in der Regel ein wenig … nun sagen, wir kreativer.

Lektion 1: Auch wenn ein Autobus nur über 40 Sitzplätze verfügt, passen mindestens 90 Leute rein – die, die am Dach mitfahren, nicht mitgezählt. Apropos Dach: Bei meiner Rückfahrt aus Moshi, der nächsten, größeren Einkaufsstadt, wurden obenauf noch ein Doppelbett samt Matratze, Blech für ein neues Hausdach, ein Behälter Sägespäne und 10 Säcke Mehl aufgeschnallt.

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Be- und Entladen des Buses. Die Ziege ist nicht mitgekommen.

Lektion 2: Alles wird gut. So voll kann der Bus gar nicht sein – ein Bauer mit gebrochenem Bein geht immer noch rein. Immerhin hat der Ärmste schon die ganze Nacht ausharren müssen, um ins nächste Spital zu kommen. Und wenn ein kleines Mädchen es nicht mehr zusammen zwicken kann, dann weist seine Mutter es eben an, auf den Busboden zu pieseln. Bis man angekommen ist, ist die Sache ohnehin wieder trocken und vergessen.

Lektion 3: Ich brauch einen kanga. Wenn nicht sogar zwei. Ein kanga ist ein bunt bedrucktes Baumwolltuch mit den Maßen 1,50 x 1 Meter. Und ganz ehrlich, ohne kanga geht hier gar nix, denn das Ding erleichtert den Alltag (der Frauen) enorm. Es schützt vor Sonne, Staub und Wind, kann als Rock, Wickelkleid oder Turban getragen werden, hilft beim Stillen von Babys, es dient als Einkaufstasche oder als weiche Unterlage, wenn man am Kopf einen Kübel Wasser nach Hause balanciert. Und das Beste: Man kann damit auch noch versteckte Botschaften aussenden. Denn kein kanga kommt ohne einen aufgedruckten Sinnspruch daher. Die klingen zwar alle erstmal recht verkitscht und poetisch, aber es gilt zwischen den Zeilen zu lesen. Mit dem richtigen Sinnspruch werden Männer auf Brautschau ermutigt, einen anzusprechen. Oder man gibt der keppelnden Nachbarin wortlos Kontra. Wie gesagt, ich brauche so ein Ding. Und einen Crashkurs in Kiswahili gleich dazu, damit ich auch den richtigen Spruch erwische.

Lektion 4: Wenn du als Weißer einwanderst und deinen Hund mitbringst, zeig nie, dass er dir gehört oder dass dir etwas an dem Tier liegt. Außer, du willst ihn entführt wissen und für 50 US-Dollar Lösegeld wieder freikaufen müssen. Das ist auf den ersten Blick vielleicht kriminell, auf den zweiten Blick könnte man es auch kreative Geldbeschaffung nennen, in einem Land, in dem manche nur 100 Dollar pro Monat verdienen.

Lektion 5: Zum Abschied ein gemeinsames Foto von der netten Köchin machen und es dann auf Facebook stellen? Keine gute Idee. Denn ist die Frau verheiratet und findet ihr Mann raus, dass sie im Internet von quasi jedem angeschaut werden kann, bringt sie das in Teufels Küche.

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Das Hotel in Moshi hatte klare Vorstellungen über die ordnungsgemäße Zimmerbelegung. Zumindest auf dem Papier. Ich hab´s mir mein Zimmer mit einer Frau geteilt – und musste trotzdem nicht spontan heiraten 🙂

Lektion 6: Spielzeug-Spenden für tansanische Waisenkinder sind eine trickreiche Angelegenheit. Eine Diddl-Maus? Ein Kuschel-Drache mit komischen Spiral-Augen? Eine Teletubbie-Figur? Bringen außer verwunderten Blicken wenig. Weil die Kleinen nicht wissen, was sie damit anfangen sollen. In den meisten Dörfern gibt’s keine Fernseher, Kinderbücher sind Mangelware und gespielt wird draußen und mit dem was die Natur bietet. Je realistischer das Spielzeug, desto eher wird es angenommen. Und unter uns, Diddl-Mäuse sind ohnehin hässlich, die muss man auch den Kids hier nicht antun.

Lektion 7: Nachts herrscht Ausgangssperre, zumindest am Land. Das ist nicht machoid, sondern schlau. Außer natürlich, man will von einem Elefanten oder eine Hyäne angegriffen werden und daheim was zu erzählen zu haben.

Lektion 8: In Tansania gibt es keine Altersheime. Die braucht man hier auch nicht, wer greis und grau ist, wird von seiner Familie versorgt. Und: Die Schwiegermutter zählt aber der Heirat mehr als die eigene Mutter. Erstere kommt auch zur Geburt deiner Kinder mit, ob du willst oder nicht.

Lektion 9: Aus Bananen lässt sich Bier brauen und Wein machen. Beides gibt’s nicht im Supermarkt, sondern nur beim Barmann deines Vertrauens. Wieviel Prozent Alkohol das jeweilige Gesöff hat, ist nicht zu eruieren und eigentlich auch nicht wichtig. Nach zwei Gläsern dreht’s einen sowieso. Cheers!

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