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Die Nachteile einer Weltreise

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Immer weiter. San Francisco, Buenos Aires, Rio … In Kapstadt standen meine Ziele sogar fast in der richtigen Reihenfolge gelistet.

Eines sagt einem keiner, bevor man auf Weltreise geht – dabei liegt die Sache eigentlich auf der Hand. Ab dem Zeitpunkt, an dem man kundtut „Ich bin dann mal weg“ wird man in eine Art unfreiwilliges Exil verfrachtet, mittendrin und doch nicht mehr dabei. Fast so als wäre man in einer Art Paralleluniversum geparkt.
Begonnen hat die Sache schon im Februar, acht Monate vor meiner Abreise. Da war die Auszeit offiziell noch gar nicht kommuniziert. Die beängstigend kluge Schwester wusste aber natürlich davon und wies mich liebevoll, aber bestimmt auf gewisse, ähem, Einschränkungen hin. Hinweise wie: „Das hat jetzt keinen Sinn mehr, mach das erst nach deiner Rückkehr im Oktober 2016 wieder.“

Beispiel Shopping. Ich entdecke eine wunderschöne Tasche aus feinstem Kalbsleder, will damit schon zur Kasse. Woraufhin die Schwester sich räuspert und raunt:

„Ähem, du gehst auf Weltreise.“ 

„Na und?!“

„Du solltest langsam Zeug abbauen und nicht noch mehr ansammeln.“

„Aber die Tasche ist WIRKLICH schön, die kann ich sicher auch auf der Weltreise mal brauchen.“

„Wo denn? Auf dem Fischerboot in Thailand? Oder am Strand auf Hawaii?“

„Geh, du bist deppert, jetzt lass mich halt.“

„Spar dir die 200 Euro, du wirst sie brauchen.“

„Ich brauch aber auch eine schöne Tasche.“

„Wenn du meinst.“ 

„Soll ich sie nicht kaufen?“

„Du wirst schon wissen, was du tust.“
Am Ende bin ich natürlich ohne das Teil nach Hause (und ich träume heute noch davon, sie war richtig toll).

Dann, als die Sache im Job verkündet war, selbes Spiel. Mir schießt eine Idee für eine Magazingeschichte ein, die allerdings erst in ein paar Monaten erscheinen kann und ich will sie euphorisch meinem Chef vortragen.

„Da bist du nicht mehr da, meine Liebe.“

„Na, und? Wir können’s trotzdem jetzt anleiern. Du sagst ja selbst immer, wir brauchen ein paar Geschichten auf Halde, um nicht alles kurz vor knapp zu produzieren.“

„Schon. Aber das Heft wird dann deine Nachfolgerin machen. Sie sollte entscheiden können, was in die Ausgaben, die sie verantwortet, kommt und was nicht.“

„Mann!“

„Tut mir leid.“

„Passt schon. Ich versteh’s ja eh.“
Merke: Loslassen an sich ist schon schwer. Aber loszulassen bevor man – rein terminlich gesehen – wirklich loslassen muss, ist pure Folter …

Und natürlich die Sache mit den Männern. Jeder, der halbwegs interessant gewesen wäre, wurde bei Erwähnung meines Vorhabens merkwürdig wortkarg.

„Weltreise. Interessant.“ 

„Ja, ja. Aber weißt du, bis ich losfahre ist ja noch eine ganze Weile hin.“ (stupides Grinsen meinerseits)

„Wie lange wirst du unterwegs sein?“

„Ein Jahr.“

Aha.“

„Wie gesagt: Noch bin da.“

„Klingt super, echt. Schreib halt mal eine Mail oder so. Bis dann!“
Uff. Wer früher stirbt ist länger tot. In Sachen Liebesleben sogar mausetot.

Die Liste ließe sich endlos weiter führen. Und man könnte meinen, jetzt, wo ich auf Reisen bin hat das Ganze ein Ende. Nix mehr mit emotionalen Vollbremsungen, nix mehr mit „Bitte warten bis zur Rückkehr“, statt dessen voll das Leben. Aber auch wenn ich insgesamt erst zwei Stationen von elf  hinter mir habe,  dämmert mir langsam: Zwischenmenschlich wird die Sache wahrscheinlich schaumgebremst bleiben. Klar trifft man neue, spannende Leute. Ich möchte keinen davon missen. Klar geht man gern auf eine Flasche Wein (auch die möchte ich nicht missen, vor allem nicht in Südafrika!). Aber man ist immer das Mädchen auf der Durchreise. Die Österreicherin mit dem unaussprechlich schwierigem Namen („Wooolkrowt?! Waalkrut?!“), die nur drei oder vier Wochen an einem Ort bleibt. Die Frau, die am Ende immer zum Flughafen gebracht werden muss, mit den Worten:  „Keine Abschieds-Tränen, okay? Wir machen das cool und schmerzlos.“ All diese Voraussetzungen machen neue Bekanntschaften zögerlich. Und es macht mich mitunter melancholisch. Ich bin nicht gut im Good-bye-Sagen. Und ehrlich gesagt will ich es auch nicht werden. „Vielleicht bleibst du irgendwo hängen, verknallst dich oder findest einen super Job, man weiß nie“, hat heute erst wieder jemand zu mir gesagt. Ja, vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich will ja an lebensverändernde Begegnungen glauben, sogar der Kontrollfreak in mir, aber letzterer denkt manchmal auch: In drei, vier Wochen kommst du nirgendwo an. Du wirst immer nur die Oberfläche streifen.  Das ist nicht immer schlecht, aber eben auch nicht immer gut. Then again: Ich glaub auch an Einhörner. Ich lass mich überraschen. Das Leben schreibt bekanntlich die schönsten Märchen.

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Immer nur halb da. Immer schon fast weg. Immer auf der Durchreise. Immer weiter. Wenn es an Abschiednehmen geht kann ich der Weltreise plötzlich nur noch wenig abgewinnen.

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